Die Geschichte der Loge "Ludewig zur Treue"
Im Zuge der Ausbreitung der Freimauererei in Deutschland wurde am 26. April 1778 vom Obermeister der Direktorialloge in Wetzlar von Ditfurth die Arbeit der Giessener Loge eröffnet mit den Worten aus dem Johannes-Evangelium 1,5: "Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat’s nicht begriffen".
Ihren Namen ‘Ludwig zu den drei goldenen Löwen’ erhielt die junge Bauhütte nach dem damaligen Erbprinzen Ludwig von Hessen-Darmstadt, mit dessen Bewilligung die Gründung erfolgte. Ihr erster Stuhlmeister war der Wirkliche Geheimrat und Regierungsdirektor Adolf Ludwig Christian von Grolmann, Mitglieder waren Beamte der Verwaltung und Offiziere, Universitätsprofessoren und Lehrer, Juristen, Ärzte, Handwerksmeister und Kaufleute. Als Motto war der Bauhütte der lateinische Spruch mit auf den Weg gegeben worden, der noch heute das Logensiegel ziert:
" Ad portum itur per procellas - Zum Hafen gelangt man durch Stürme".
Seine Bedeutung sollte die Giessener Loge bald erfahren. Infolge der Ausstrahlung der Französischen Revolution wurde das Misstrauen gegen aufklärerische Vereinigungen, die die Parole von der ‘ liberte, egalite et fraternite - Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit ‘auf ihre Fahnen geschrieben hatten, bei den Fürstenhöfen geweckt, so auch in Darmstadt, wo der Erbprinz als Nachfolger seines Vaters 1790 Landgraf geworden war. In wieweit die Giessener Loge hier beeinflusst worden war, lässt sich im einzelnen nicht mehr feststellen, doch muss es Unruhe gegeben haben. Jedenfalls befand sich der Meister vom Stuhl von Grolmann in einer schwierigen Lage. Als hoher Regierungsbeamter trug er der Stimmung höheren Ortes Rechnung und beantragte in Darmstadt die Stillegung der Loge, die am 11.11.1791 genehmigt wurde. Die Geschichte ging weiter. Landgraf Ludwig X. hatte sich im Jahre 1806 dem Rheinbund unter Napoleon, angeschlossen und den Titel Großherzog von Hessen und bei Rhein erhalten, den er von da an als Ludwig der Erste führte. Nach der Völkerschlacht von Leipzig war er gemeinsam mit Bayern und einer Anzahl weiterer deutscher Staaten zu den Verbündeten übergegangen.
Die Befreiungskriege brachten die politische und geistige Wende. Sie hatten auch unter den Freimaurern neue Hoffnungen geweckt. Bald nach 1814 hielten Brüder der geschlossenen Giessener Loge maurerische Zusammenkünfte auf dem Schiffenberg ab. Mit dem Erwerb Rheinhessens waren neue Logen zu Hessen-Darmstadt gekommen wie Mainz, Alzey und Worms, die aufzulösen politisch unklug gewesen wäre.
So konnte auch die Giessener Loge am 7. September 1816 mit über vierzig Mitgliedern unter dem Protektorat des Großherzogs mit dem Namen ‘Ludewig zur Treue’ wieder eröffnet werden. Meister vom Stuhl war der Schwager von 'von Grolmann', der Geheimrat und Universitätsprofessor Musäus, der schon der alten Loge angehört hatte. Der Beiname ‘zur Treue’ sollte, so hieß es, in dem Schreiben des Großherzogs "eine dankbare Anerkennung für die Haltung der Loge in der damaligen ernsten Zeit, in der Throne und Altäre zu wanken schienen, und für die ihm gehaltene Treue" sein.
Das Logenleben nahm in der Folgezeit einen unerwarteten Aufschwung, so dass im Jahre 1856 ein Logengebäude nach den Plänen eines Münchener Architekturprofessors am heutigen Berliner Platz erbaut werden konnte. Im Laufe der Zeit erwies sich der Bau als zu klein, so dass zu Beginn des 20. Jahrhunderts bei einer Mitgliederzahl von 150 Brüdern ein Um- und Anbau notwendig wurde, der noch vor Ausbruch des ersten Weltkrieges seiner Bestimmung übergeben werden konnte; die damals eingemauerte Urkunde ist noch vorhanden. Sie enthält neben einer kurzen Logengeschichte zum Schluss die Versicherung, dass die Mitglieder bei aller Freude über das erneuerte Gebäude "nicht vergessen wollen, dass das Haus einer Loge allein nicht genügt, um eine Loge auf der Höhe zu erhalten, sondern dass dazu vor allem ein lebendiger, strebsamer, maurerischer Geist erforderlich ist, der sich der hohen Aufgabe der Freimaurerei und ihrer höchsten Ziele stets bewusst ist". In den zwanzig Jahren entwickelte sich das Logenleben in ruhigen, geregelten Bahnen.
Im Jahre 1925 verzeichnete die Loge insgesamt 172 Mitglieder, mit der Einrichtung eines Museums aus Urkunden, Abzeichen und maurerischen Gegenständen und einer stattlichen Bibliothek schuf sie sich eine wertvolle Grundlage für die Erfassung ihrer Geschichte. Da brach das jähe Ende herein, als der Nationalsozialismus die Macht ergriff. Er sah in den liberalen Ideen der Freimaurerei eine Gefahr für eine feste Staatsordnung, sprich Diktatur, und durch die ‘unkontrollierbaren’ internationalen Verbindungen eine Machtorganisation, die als Endziel einen Völkerbund oder eine Weltrepublik anstrebe. In der Tatsache, dass es für eine humanitäre Loge eine Selbstverständlichkeit war, auch Juden als Brüder aufzunehmen, witterte er eine weitere gefährliche Gegnerschaft gegen das Dritte Reich. Anstrengungen, die Freimaurerei erhalten zu können, waren vergeblich.